Buchtipps unserer MitarbeiterInnen:
Hier finden Sie persönliche Buchtipps von MitarbeiterInnen der Büchergilde zu den Themen Meinungs-, Rede- und Pressefreiheit.
Alexander Elspas (Geschäftsführer) empfiehlt: Generation Beleidigt. Von der Sprachpolizei zur Gedankenpolizei von Caroline Fourest
Provozierend und glasklar formuliert, richtet die französische Publizistin und Filmemacherin Caroline Fourest den Blick auf fragwürdige und zuweilen gefährliche Entwicklungen innerhalb des linken intellektuellen Diskurses, die ihre Kritik an sogenannter kultureller Aneignung mitunter deutlich zu weit treiben. Dürfen Kinder wirklich nicht mehr als Indianer oder Japanerin zu Motto-Geburtstagen gehen? Ist es bereits verwerflich, wenn Popsängerinnen mit geflochtenen Zöpfen auf der Bühne erscheinen, weil diese als „ukrainische Zöpfe“ gelten? Vorwurf der kultureller Aneignung auf der einen, freudvolles Austauschen unter verschiedenen Kulturen auf der anderen Seite. Was „darf“ man heute?
Generation beleidigt. Von der Sprachpolizei zur Gedankenpolizei erscheint als 4. Band der Edition Zeitkritik im 3. Quartal 2021.
Corinna Huffmann (Programmleitung) empfiehlt: Die Unschärfe der Welt von Iris Wolff
Was es heißt, frei oder nicht frei aufzuwachsen, seine Meinung frei äußern zu dürfen oder aus Angst vor staatlichen Repressalien sich selbst und seine Worte zurückzuhalten – mit allen seelischen Konsequenzen, die das nach sich ziehen kann –, davon bekommt man eine authentische und sehr eindringliche Vorstellung bei der Lektüre dieses wunderbaren Romans, die die Schicksale von einer Gruppe von Menschen aus dem Banat vor dem Hintergrund des zusammenbrechenden Ostblocks beschreibt: ihre Freuden und Sorgen, ihre Hoffnungen und Sehnsüchte – und die Kraft von Freundschaft, Liebe und Integrität. Ein literarischer Hochgenuss, Figuren, die einem fest ans Herz wachsen und eine Geschichte, die uns nachfühlen lässt, welch hoher Wert Freiheit, Demokratie und freie Meinungsäußerung sind.
Corinna Santa Cruz (Lektorat) empfiehlt: Wölfe in der Nacht
von Ángel Santiesteban, erschienen bei S. Fischer
Ángel Santiesteban ist ein kubanischer Autor, vielfach prämiert für sein literarisches Werk – solange er dem Regime nützlich zu sein schien. Das änderte sich, als er einen regimekritischen Blog zu schreiben begann: Es folgten Repressalien, körperliche Gewalt, Inhaftierungen. Die meisten Erzählungen aus diesem Band durften bisher nicht in Kuba veröffentlicht werden. Es sind Geschichten über den stetigen Mangel: an Nahrung, an Freiheit, an Träumen. Drastisch und ungeschönt, dabei auch zärtlich und wahrhaftig. Große Literatur, die einem unterdrückerischen Regime zum Trotz ihren Weg in die Welt gefunden hat.
Laura Sprenger (Genossenschaft und Projekte) empfiehlt: Milchzähne von Helene Bukowski
Trotz der beklemmenden Atmosphäre in diesem postapokalyptischen Roman konnte ich mich dem Sog von Bukowskis schnörkelloser Sprache nur schwer entziehen. Es herrschen Misstrauen, Hass und Verzweiflung – die Geschichte um Skalde und das Findelkind zeigt eindrucksvoll, wie freud- und trostlos eine Welt aussieht, in der Menschen nicht miteinander sprechen (können) über das, was ihnen auf der Seele brennt.
Marie-Theres Stickel (Digitalmarketing und Lektorat) empfielt: Menschenpflichten von Jane Goodhill (Hrsg.), illustriert von Mehrdad Zaeri
Menschlichkeit, Toleranz, ein respektvoller Umgang miteinander. Das sind die Grundgedanken der 'Allgemeinen Erklärung der Menschenpflichten'. Ein bedeutender Entwurf, der jedoch seit fast 25 Jahren weitgehend folgenlos geblieben ist – wieso nur? Das InterAction Council stellte die 19 Artikel der Menschenpflichten neben die Menschenrechte, als eine Art Haus- und Werteordnung, die jeden einzelnen in die Pflicht nimmt. Menschenpflichten widmet sich diesem zu Unrecht in Vergessenheit geratenen Thema. 37 Studierende der Universität Mainz haben zusammen mit Illustrator Mehrdad Zaeri die „zwischenmenschliche Liebe“ in diesen Texten entdeckt und sichtbar gemacht: Die Menschenpflichten sind so als eine Art Liebeserklärung an den Menschen und die Gesellschaft zu verstehen. Ein sehr lesenswerter Appell für eine solidarische Gesellschaft!
Svenja Schaller (Vertrieb und Marketing) empfiehlt: Gegen den Hass von Carolin Emcke
Ein Buch, das mich sofort abgeholt hat beim Lesen, war Gegen den Hass von Carolin Emcke. Klug, schnell, wortgewandt und durchdacht gibt die Friedenspreisträgerin hier komplexen Gedanken eine verständliche Form. Zum Glück hat ein so intelligenter Mensch sich dazu entschieden, seine Erfahrungen und Forschungen mit uns zu teilen, ohne sich in Fachsprache zu verlieren. Dabei deckt Carolin Emcke eine Vielzahl von Themen ab und schafft es, verschiedene Sichtweisen, Ansätze und Meinungen nicht nur zuzulassen, sondern auch verständnisvoll darzustellen.
Ursula Schwalb (Projekte und Veranstaltungen) empfiehlt: Aspekte des neuen Rechtsradikalismus von Theodor W. Adorno
Rechte Parteien und rechtspoulistische Strömungen sind eine Gefahr für die Demokratie und die Meinungsfreiheit. Bereits 1967 hielt Theodor W. Adorno einen Vortrag, in dem er vor der Erstarkung der NPD warnte und Kontinuitäten zur NS-Zeit aufzeigte. Heute sitzt die AfD im Bundestag und auf der ganzen Welt erstarken rechte Parteien und Strömungen. Die Parallelen sind erschreckend und zeigen doch, dass rechtes Gedankengut nie verschwunden ist. Aspekte des neuen Rechtsradikalismus könnte daher kaum aktueller sein.
Büchergilde-Salon
Unser Beitrag zur Woche der Meinungsfreiheit
Vom 3. bis zum 10. Mai 2021 findet erstmals die vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels initiierte Woche der Meinungsfreiheit statt. In diesem Zeitraum — und darüber hinaus — machen der Börsenverein, die Buchbranche und die Zivilgesellschaft auf die Bedeutung der freien Meinungsäußerung sowie der Rede- und Pressefreiheit aufmerksam.
»Hand in Hand mit Institutionen und der Zivilgesellschaft wollen wir Räume des Austausches schaffen und vorurteilsfreie Debatten fördern sowie uns für Verfolgte einsetzen. Ich rufe alle Buchhandlungen und Verlage auf, sich zu beteiligen, die Charta der Meinungsfreiheit zu unterzeichnen und mit uns gemeinsam eine große Bewegung für Demokratie, Debatte und Toleranz auszulösen.«
Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins
Viele Partner unterstützen die Aktion, darunter das Goethe-Institut, Anmesty International und der Verband deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller. Gemeinsames Ziel: das Bewusstsein dafür zu schärfen, wie wichtig die Freiheit des Wortes für eine demokratische und vielfältige Gesellschaft ist. Vom Internationalen Tag der Pressefreiheit (3. Mai) bis zum Tag der Bücherverbrennung in Deutschland (10. Mai) finden bundesweit Veranstaltungen und Aktionen statt − auch die Büchergilde ist mit von der Partie.
Büchergilde-Salon:
Digitaler Lesekreis zu Marco Balzanos Ich bleibe hier
Die Büchergilde beteiligt sich an der Woche der Meinungsfreiheit mit einem digitalen Lesekreis via Zoom. Wir lesen gemeinsam Ich bleibe hier von Marco Balzano und laden Sie herzlich zu einer anschließenden Diskussion über den Roman ein. Die Anzahl der TeilnehmerInnen ist auf 20 pro Termin begrenzt, die Teilname ist kostenfrei.
Wann? Dienstag, 4. Mai, oder Donnerstag, 6. Mai, jeweils von 19.00 bis ca. 20.00 Uhr
Wo? Online, via Zoom-Konferenz.
Bitte melden Sie sich unter Angabe des bevorzugten Termins per E-Mail an: projekte@buechergilde.de Für die Teilnahme benötigen Sie lediglich eine stabile Internetverbindung, ein Endgerät (Laptop, Tablet oder Smartphone) und Freude am Diskutieren.
Ein idyllisches Bergdorf in Südtirol – doch die Zeiten sind düster. Von 1939 bis 1943 werden die Leute vor die Wahl gestellt: entweder nach Deutschland auszuwandern oder als Bürger zweiter Klasse in Italien zu bleiben. Trina entscheidet sich für ihr Dorf. Als die Faschisten ihr verbieten, als Lehrerin tätig zu sein, unterrichtet sie heimlich in Kellern und Scheunen. Und als ein Energiekonzern für einen Stausee Felder und Häuser überfluten will, leistet sie Widerstand – mit Leib und Seele. Marco Balzano erzählt eine Geschichte von Leid, Widerstand und Mut – eine universelle Parabel darüber, was uns Menschen ausmacht und wofür wir einstehen müssen.
Marco Balzano, Ich bleibe hier
NR 172321 | 20.00 €
Aus dem Italienischen übersetzt von Maja Pflug,
Umschlaggestaltung von Heike Czerner, 288 Seiten.
Jetzt die Charta der Meinungsfreiheit unterzeichnen!
»Elf PUNKTE vereint die Charta der Meinungsfreiheit, die zum Schutz und zur Förderung der offenen Debattenkultur beiträgt. Ihre Unterzeichnung ist eine Selbstverpflichtung die festgeschriebenen Leitsätze anzuerkennen, nach ihnen zu handeln und sie in das eigene Umfeld und Netzwerk zu tragen.«
Börsenverein des Deutschen Buchhandels
CHARTA DER MEINUNGSFREIHEIT
1. Meinungsfreiheit ist ein universelles Menschenrecht und als solches nicht verhandelbar. Jeder Mensch hat das Recht, die Meinungsfreiheit für sich in Anspruch zu nehmen.
2. Die Meinungsfreiheit beinhaltet das Recht auf Information, die Pressefreiheit sowie die Freiheit des Publizierens und der Berichterstattung.
3. Meinungsfreiheit ist die Grundvoraussetzung für eine freie, vielfältige und demokratische Gesellschaft. Die Meinung aller Bürgerinnen und Bürger:innen trägt zum Meinungsbildungsprozess in einer Gesellschaft bei und sichert damit erst die Souveränität des Volkes in einer Demokratie.
4. Meinungsfreiheit verpflichtet zu einem Umgang, der von gegenseitigem Respekt, Zuhören, Ausredenlassen, Reflexion und argumentativem Abwägen geprägt ist.
5. Hetze und Hass werden nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt, sondern schädigen sie. Die Meinungsfreiheit endet da, wo die Würde eines Menschen angegriffen wird.
6. Meinungsfreiheit bedeutet nicht, frei von Kritik zu sein. Kritik ist der Beginn einer inhaltlichen Auseinandersetzung und somit wichtiger Bestandteil des Meinungsbildungsprozesses.
7. Meinungsfreiheit erfordert eine Debattenkultur, für die sowohl der Staat wie auch die Zivilgesellschaft eine Verantwortung tragen.
8. Jede Einschränkung der Meinungsfreiheit durch staatliche Gewalt ist ein untrügliches Zeichen der Abkehr von einer freien, vielfältigen und demokratischen Gesellschaft, berechtigt zum Widerstand und verpflichtet zur Solidarität.
9. Demokratische Staaten tragen insbesondere die Verantwortung, in ihrer Außen- und Wirtschaftspolitik darauf hinzuwirken, dass Einschränkungen des Rechts auf freie Meinungsäußerung unterbleiben.
10. Gewaltausübung gegen Andersdenkende durch physische und psychische Einschüchterung, Drohung und finanzielle Druckmittel ist unzulässig.
11. Die Zivilgesellschaft trägt die Verantwortung, für die Meinungsfreiheit einzutreten, Einschränkungen der Meinungsfreiheit kenntlich zu machen und ihnen wirksam entgegenzutreten.
Unterzeichnen auch Sie die Charta der Meinungsfreiheit und tragen Sie mit dazu bei, das Recht auf Meinungsfreiheit gemeinsam mit uns zu einem sichtbaren und großen gesellschaftlichen Konsens zu machen.
» Hier können Sie die Charta der Meinungsfreiheit digital unterzeichnen