Paul Heyse
Paul Heyse (1830–1914) erhielt 1910 als erster deutscher Dichter den Literaturnobelpreis. Heyse fand früh durch Familie und Freunde Zugang zu Kunst, Musik und Literatur. Er studierte Philologie, Kunstgeschichte und Romanistik und promovierte 1852. Ab 1854 lebte er in München, erlangte Stellung als Dichterfürst am Königshof und belebte die literarischen Kreise der Stadt. Viele seiner Novellen siedelte Heyse in seiner Wahlheimat Italien an.
Portrait Paul Heyse
© Bildarchiv Bayerische Staatsbibliothek München
Hans Pleschinski
Hans Pleschinski, geboren 1956, lebt als freier Autor in München. Für seine Werke wurde er vielfach ausgezeichnet. 2014 erhielt er den Literaturpreis der Stadt München und den Niederrheinischen Literaturpreis, 2020 den Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung. Er ist Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste.
Portrait Hans Pleschinski
© Christoph Mukherjee
Eine Kriminalnovelle
Paul Heyse
„Eine farbenprächtige, facettenreiche und meisterliche Novelle.“
Hans Pleschinski
Venedig, 1762. Zeit brutaler Staatsinquisition. Während Adel und Klerus das Leben in vollen Zügen genießen, ächzt das Volk unter einer Herrschaft voll von Machtgier, Denunziation und Bespitzelung. Keiner traut keinem. Über allem thronen die Inquisitoren, deren willkürliche Urteile so berüchtigt wie gefürchtet sind. Mit der Ankunft des verschwiegenen Andrea Delfin in der Lagunenstadt entspinnt sich eine dramatische Geschichte um Leidenschaft, Rache und politischer Intrige – erzählt vom ersten deutschen Literaturnobelpreisträger für Belletristik.
Mit einem exklusiven Vorwort von Hans Pleschinski und farbigen Illustrationen von Luigi Olivadoti, bedrucktes und geprägtes Leinen, Lesebändchen, 160 Seiten, Einbandgestaltung von Luigi Olivadoti.
NR 172860 | 20.00 €
Hans Pleschinski
"Mit leichter Hand, großer Eleganz und Präzision inszeniert Hans Pleschinski sein "Gesprächsballett" um Ruhm, Vergänglichkeit und die Fallstricke instrumentalisierter Rezeption.“
FAZ, Nils Kahlefendt
Die Münchner Stadträtin Antonia Silberstein macht sich auf zu einem Spaziergang mit großem Ziel: der einstigen Wohnstätte eines großen Vergessenen. Sie hegt Pläne für diese Villa und sucht Rat bei der Schriftstellerin Ortrud Vandervelt und der Bibliothekarin Therese Flößer. Die drei sind sich uneins über das Vermächtnis des Mannes, dessen Haus sie in ein Kulturzentrum verwandeln könnten: Paul Heyse. Der erste echte deutsche Literaturnobelpreisträger – hochgeehrt, liberal, liebenswert – ist so vergessen, dass in München vor allem eine Unterführung an ihn erinnert. Hat er das verdient? Pleschinski erzählt kenntnisreich von Heyses Leben und Werk, von Ruhm und Vergänglichkeit.
Mit 3 Schwarz-Weiß-Abbildungen, Leinen mit Schutzumschlag, bedrucktes Vorsatzpapier, Lesebändchen, 280 Seiten, Umschlaggestaltung von total italic.
NR 17278X | 22.00 €
Hans Pleschinski
Der alte Mann, eine Berühmtheit, verlässt mit seiner Frau das Sanatorium im eben zerstörten Dresden und wird mit Begleitschutz zum Zug gebracht. Es ist 1945; Gerhart und Margarete Hauptmann wollen nach Schlesien, in ihre Villa Wiesenstein, ein prächtiges Anwesen im Riesengebirge. Dort wollen sie weiterleben, in einer hinreißend schönen Landschaft, mit eigenem Masseur und Zofe, Butler und Gärtner, Köchin und Sekretärin, ein immer noch luxuriöses Leben für den Geist führen, inmitten der Barbarei. Aber ist das die richtige Entscheidung? In seinem überwältigenden Roman schreibt Hans Pleschinski von einer untergehenden Welt.
Geprägtes Leinen mit Schutzumschlag, farbiges Vorsatzpapier, Lesebändchen, 552 Seiten, Umschlaggestaltung von Katja Holst.
NR 17037X | 22.00 €
Hans Pleschinski hat mit Am Götterbaum einen wunderbaren Roman über den heute weitgehend ungelesenen Literaturnobelpreisträger Paul Heyse geschrieben. Ein Roman über München, über historische und gegenwärtige Phänomene und nicht zuletzt mit einer Fülle von Originalzitaten aus den Texten Heyses.
Im Interview mit der Büchergilde sprach Hans Pleschinski über die lohnende Wiederentdeckung Paul Heyses mit seinem beeindruckenden Œuvre, insbesondere seine 177 Novellen – allen voran: Andrea Delfin.
Von Jürgen Sander
Ich gebe es zu, als gebürtiger Münchner habe ich den Namen Paul Heyse vor allem mit einer abgasverseuchten Bahnunterführung in Verbindung gebracht, bei der man als Radfahrer hoffte, ohne einen einzigen Atemzug vom einen zum anderen Ende zu kommen. Dank Hans Pleschinskis Roman Am Götterbaum weiß ich nun: Paul Heyse war der erste deutsche Nobelpreisträger für Belletristik und seine Villa steht immer noch etwas versteckt in der Münchner Innenstadt.
Im Mittelpunkt des Romans stehen Antonia Silberstein, Münchner Stadtbaurätin, die davon träumt, in der Villa ein Kulturzentrum einzurichten, Therese Flößer, Bibliothekarin bei der Monascensia und mit den schriftlichen Hinterlassenschaften des Dichters befasst, und Ortrud Vandervelt, preisgekrönte Schriftstellerin, gerade zurückgekehrt von einer Russlandreise im Auftrag des Goethe-Instituts und große Skeptikerin des Bauprojektes. Gemeinsam machen sie sich vom Rathaus am Marienplatz auf zu einem Ortstermin bei der Paul-Heyse-Villa, in der Nähe des Lenbachhauses.
Unterwegs sprechen die drei Damen über Literatur, Kunst und die Epoche Paul Heyses. Es sind witzige, scharfzüngige Gespräche, bei denen nach und nach immer mehr Facetten des Dichters Paul Heyse ans Licht befördert werden. Offenbar war er doch für seine Zeit ein recht fortschrittlicher Geist. Die historischen Hintergründe liefert der Literatur-Experte Harold Bradford, der zusammen mit seinem Lebensgefährten Deng Long später zum Frauen-Trio stößt.
Hans Pleschinski ist mit Am Götterbaum ein großartiger Roman gelungen mit Witz und Ironie und mit dem wunderbaren Talent gesegnet, herrliche Dialoge auf Papier zu bringen. Aber er konzentriert sich nicht nur auf die Personen, auch die Stadt München und das aktuelle Weltgeschehen werden aufs Korn genommen. Ein großes Vergnügen, das mir auch den Dichter Paul Heyse nähergebracht hat.
Und selbst die kritische Ortrud Vandervelt ist gegen Ende des Romans versöhnt mit Heyse: „Taufen sie eine schönere Straße als die jetzige nach ihm, eine Allee, einen Platz mit Brunnen.“ Das wär’s: Die Unterführung wird umbenannt, der Name Paul Heyse endgültig von Autoverkehr und Abgasen befreit und an die frische Luft gebracht.
Paul Heyse und seine Novelle Andrea Delfin:
Vom Heben versunkener Schätze
Im Jahr 1910 erhielt Paul Heyse als erster deutscher Belletristik-Schriftsteller den Literaturnobelpreis. Wie kam es dazu, dass Heyse in Vergessenheit geriet? Ist dies eine Zeit- oder gar eine Genrefrage?
Paul Heyse war für Jahrzehnte in der deutschsprachigen Literatur so bedeutend, dass man sogar vom „Heyse'schen Zeitalter“ sprach. Als Dichter glänzte er in allen Gattungen: Er schrieb Gedichte, Romane, Theaterstücke und fast zweihundert Novellen. Er sah sich in der Nachfolge Goethes, das heißt, er wollte formvollendet schreiben, leidenschaftliche Menschen darstellen und am liebsten dem Guten und Schönen zum Sieg verhelfen. Immer mit einer Prise Melancholie. Gegen Ende seines Lebens überholte ihn die rabiate Wirklichkeit, die Industrialisierung, Arbeiterelend, soziale Konflikte. So wirkten seine Werke um 1900 für viele zu idyllisch, nicht explosiv genug, ja, zu schön. Im April 1910 wurde mit ihm und mit allem Pomp der vielleicht letzte deutsche Klassiker zu Grabe getragen.
Wieso ist es reizvoll, gerade Paul Heyse als Klassiker wiederzuentdecken?
In Heyses Werken kann man wiederentdecken, was Hunderttausenden von Lesern, und zwar weltweit, zwischen 1850 und 1900 gefiel. Heiter-melancholische Gedichte, spannend erzählte Geschichten, die ein wenig vom Alltag erlösten. Und staunend nimmt man wahr, wie vielfältig ein Dichter wie Paul Heyse interessiert war. Er kannte sich in allen kulturgeschichtlichen Epochen aus, aber er engagierte sich auch bei aktuellen Fragen. Er kämpfte für die Emanzipation der Frauen: Wagt, frei zu sein! Das erste Gedicht für Tierschutz stammt von ihm. Als liberaler Mann bekämpfte er Untertanengeist und die Gängelung des Menschen. Die erotischen Anziehungskräfte spielten für ihn immer eine große Rolle. Das alles – und noch viel mehr – kann man im Leben und Werk dieses Dichters entdecken.
Wie entbrannte Ihr Interesse für Heyse, das sich in Ihrem Roman Am Götterbaum spiegelt?
Wenn ein Taucher erfährt: Auf dem Meeresgrund liegt der Luxusdampfer MS Paul Heyse, in seinem Innern war seit dem Untergang niemand mehr, dann beginnt der Taucher begierig mit seiner Erkundung. So war es bei mir. Plötzlich erwachte in mir das Interesse am ersten belletristischen Nobelpreisträger Deutschlands. Zudem stieß ich in München auf seine Villa, die wie vergessen am Königsplatz steht. Sie war einst ein europäisches Kulturzentrum. Warum waren hier Johannes Brahms, Henrik Ibsen, Theodor Fontane oft zu Gast bei Paul Heyse und worüber sprachen sie? Das war genug Anreiz, um nachzuforschen.
Was macht Andrea Delfin für LeserInnen in heutiger Zeit relevant und spannend?
Die Novelle Andrea Delfin ist eine perfekt erzählte Geschichte um Unterdrückung durch den Staat, um private Rache, Attentate, gemischt mit Liebesaffären und viel Verrat. Sie spielt in Venedig und könnte weiterhin als Filmvorlage dienen. Der Leser wird ab der ersten Zeile in Atem gehalten, was als Nächstes passiert. Eine Liebesnacht, ein Verhör oder Mord? Diese Themen sind zeitlos.
In der Novelle begibt sich der Titelheld in einen Kampf à la David gegen Goliath. Wann kann Rache akzeptiertes Motiv sein? Welcher Idealismus schwingt hier mit?
Das Brisante an der Novelle ist, dass man Rachegelüste und das eigentlich Unentschuldbare, nämlich Attentate, gedanklich nachvollziehen kann. Das Ideal, das Heyse beim Schreiben leitete, war der Wunsch nach Freiheit. Also ein freiheitlicher Staat und das selbstbestimmte Individuum. Auch durch dieses Verlangen ist Paul Heyse ein lebendiger Klassiker.
Vielen Dank fur das Gesprach, Herr Pleschinski!
Die Fragen stellte Marlen Heislitz.