Kazuo Ishiguro, geboren 1954 in Nagasaki, kam 1960 nach London, wo er später Englisch und Philosophie studierte. Sein Werk wurde bisher in 50 Sprachen übersetzt und er erhielt 2017 den Nobelpreis für Literatur.
Janna Klävers,
geboren 1987 in Hannover, zeichnet Comics und illustriert für verschiedene Magazine und Verlage. Ihre Arbeiten waren in zahlreichen Ausstellungen zu sehen. 2019 erhielt sie ein Comic-Förderstipendium der Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Europa.
Janna Klävers
im Büchergilde Kurzinterview:
In "Was vom Tage übrig blieb" des Autor Kazuo Ishiguro unternimmt der Butler Mr. Stevens die Reise, die er seit Jahren in Gedanken geplant hat. Wohin reisen Sie in Ihrer Fantasie?
«Hauptsache mal wieder raus aus Deutschland und mit dem Auto oder dem Zug ins Unbekannte aufbrechen.»
Im Salon von Darlington Hall oder draußen auf den weiten Ländereien des Anwesens im britischen Oxfordshire – wo trinken Sie Ihren Kakao am liebsten?
«Draußen auf den Ländereien bei Sonnenschein.»
Was würde der alte englische Butler Mr. Stevens Ihnen morgens als Erstes bringen?
«Kaffee ans Bett. Der Rest folgt dann später.»
Kazuo Ishiguro / Janna Klävers (Ill.)
Das kritische Porträt einer von Klasse und Hierarchien geprägten Gesellschaft und eine bittersüße Liebesgeschichte, in starke Bilder umgesetzt von Janna Klävers.
Geprägtes und bedrucktes Leinen, Lesebändchen, 21 farbigen Zeichnungen, Buchgestaltung von Cosima Schneider, 320 Seiten.
NR 172070 | 28.00 €
Christine Wunnicke / Kai Würbs (Ill.) Die Dame mit der bemalten Hand
Die Insel Elephanta im Jahr 1764: Indien stand nicht auf dem Reiseplan
des Forschungs-
NR 172534 | 22.00 €
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Heinrich Mann / Martin Stark (Ill.) Der kritische Gesellschaftsroman Professor Unrat um den verknöcherten Gymnasialprofessor, der vom Tyrann zum Anarchist wird. Der Illustrator Martin Stark hat die Satire in modernen Bildern umgesetzt, die sich am Stil der 1920er-Jahre orientieren.
NR 172593 | 18.00 €
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Alexander Elspas (Hrsg.) / Ceylan Maurer (Ill.) Das große Büchergilde Gedichtbuch
Eine Einladung für Klein und Groß, ins Land der Gedichte zu reisen und sich von dessen Vielseitigkeit überraschen, berühren und beglücken zu lassen.
NR 172445 | 28.00 €
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Christian Morgenstern / Hans Ticha (Ill.)
Witzig, im besten Sinn komisch, hintersinnig, tiefgründig, kreativ, experimentell – dies sind Morgensterns Galgenlieder, mit denen er die Leser bis heute begeistert.
NR 166526 | 28.00 €
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Jane Goodhill (Hrsg.) / Mehrdad Zaeri (Illustrator)
Für ein gesellschaftliches Miteinander, das auf Gemeinsinn und Achtung gegenüber seinen Mitmenschen basiert. Unter engagierter Mitwirkung des Künstlers Mehrdad Zaeri entstand diese illusrtiere Aufgabe Menschenpflichten. Für ein solidarisches Miteinander!
NR 164507 | 18.00 €
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EXKLUSIV BEI DER BÜCHERGILDE ILLUSTIERT
Ein Beitrag von Isabella Caldert
Was vom Tage übrig blieb
Kazuo Ishiguro
Der Roman Was vom Tage übrig blieb von Nobelpreisträger
Kazuo Ishiguro ist ein moderner Klassiker, der 1989 mit dem Man Booker
Prize ausgezeichnet und später gelungen verfilmt wurde. Die Büchergilde
legt dieses Werk der
Weltliteratur jetzt mit fantastischen
Illustrationen
von Janna Klävers neu auf.
Ein Mann sitzt im England der 1950er-Jahre hinter dem Steuer eines schicken Wagens und denkt über sein Leben nach, während die grüne Landschaft langsam an ihm vorbeizieht. Eine Frau sitzt im Deutschland der 2020er-Jahre an ihrem Schreibtisch und hört Musik der Comedian Harmonists, während sie in aller Ruhe malt. Mr. Stevens und Janna Klävers sind aber nicht nur durch Raum und Zeit getrennt, sondern auch durch die Fiktion: Er ist der Protagonist des Romans, den sie illustriert.
Bei dem Roman handelt es sich um Was vom Tage übrig blieb, das wohl bekannteste Werk des britisch-japanischen Nobelpreisträgers Kazuo Ishiguro, der 1989 veröffentlicht und mehrfach ausgezeichnet wurde; 1993 dann folgte die Verfilmung von Regisseur James Ivory. Anthony Hopkins spielt den Butler Mr. Stevens, der die von Emma Thompson verkörperte Hausdame Miss Kenton liebt, ohne das wirklich zu verstehen. Der Film ist mit Hugh Grant, James Fox und Christopher Reeve bis in die Nebenrollen stark besetzt und war für acht Oscars und fünf Golden Globes nominiert.
Was vom Tage übrig blieb ist aber viel mehr als nur eine Liebesgeschichte. Mr. Stevens ist ein alternder englischer Butler, der zeit seines Lebens im Dienst von Lord Darlington stand. Als dieser verstirbt, übernimmt ein lockerer US-Amerikaner die Geschicke des Anwesens Darlington Hall. Er ermutigt Mr. Stevens dazu, sich sein Auto zu leihen und eine Woche Urlaub zu machen – etwas, das Stevens noch nie getan hat. Stevens beschließt, seine ehemalige Kollegin Miss Kenton zu besuchen, die seit Jahrzehnten verheiratet in Cornwall lebt, von der er aber hofft, sie möge vielleicht nach Darlington Hall zurückkehren.
Auf seiner Reise in den Westen Englands reflektiert Stevens über seine Verpflichtungen als Butler, seine Vergangenheit, vor allem die 1920er- und 1930er-Jahre, und seine unerschütterliche Loyalität zu Lord Darlington – ein Leben, das einzig davon erfüllt war und ist, einem anderen Menschen zu dienen und sämtliche eigenen Wünsche und Vorstellungen diesem Ziel zu unterstellen. Stevens’ Reflexionen enthüllen eine doppelte Tragik, denn im Verlaufe des Romans zeigt sich peu à peu, dass Lord Darlington diese Loyalität nicht unbedingt verdient hatte, traf er vor allem politisch gesehen viele falsche Entscheidungen, die ihn stark in die Nähe zu Nazideutschland rückten.
Was vom Tage übrig blieb ist ein Roman, der vor allem geprägt ist durch die Gedanken und Innensicht des Butlers Stevens. Eine große Herausforderung, entsprechende Bilder zu finden. Janna Klävers hat sich ihr angenommen. Klävers ist studierte Illustratorin, hat ihren Bachelor in Kommunikationsdesign und einen Master in Illustration mit Schwerpunkt Fiction gemacht. „Es geht viel um die Atmosphäre. Die Innenausstattung von Darlington Hall ist beispielweise weniger wichtig als die Gefühle von Stevens, also wie er zu Darlington steht“, sagt die Wahlberlinerin über Ishiguros Buch.
Um sich emotional auf diese Zeit einzulassen, erstellte Klävers zunächst eine Playlist mit Musik aus der Zeit, die sie beim Arbeiten hörte: Die Comedian Harmonists, Billie Holiday und Ella Fitzgerald sind natürlich dabei, außerdem Bands und MusikerInnen wie Duke Ellington, Fred Astaire, George Formby, Noël Coward und Marlene Dietrich. Motivisch hat sie sich vor allem durch Fotos und Filme inspirieren lassen. „Es gibt total viele Archive aus England für die Epoche“, so die Illustratorin. „Sie zeigen nicht nur, wie die Frisuren und Klamotten sind, sondern vermitteln auch ein Lebensgefühl. Ich habe mich mit dieser Zeit vollgetankt.“
Herausgekommen sind Bilder mit „Ausstrahlung, Kraft und Dynamik“, wie Cosima Schneider, Herstellungsleiterin bei der Büchergilde Gutenberg, schwärmt. Es ist auch Schneider, die an Janna Klävers mit der Bitte, diese besondere Ishiguro-Ausgabe zu illustrieren, herangetreten war. „Ich betreue den Pool mit Illustratorinnen und Illustratoren“, erläutert sie, „und gucke immer, wer passen könnte. Ich finde die Illustrationen von Janna Klävers grandios. Sie haben etwas altertümlich Anmutendes, sind aber zugleich modern, weil sie Wolken oder Landschaften beispielsweise auf geometrische Formen reduziert, womit sie das altertümliche Element bricht. Ihre Bilder sind hintergründig, aber auf vermeintlich leichte Art.“ Perfekt also für den vielschichtigen Roman Was vom Tage übrig blieb.
Klävers beschreibt ihre Motivik ähnlich. „Ich habe nach einer Balance gesucht, nach Bildern, die zwar passend zur Ära, dabei aber nicht zu trutschig sind, weil es trotzdem ein modernes Buch ist. Um die Waage zu halten, habe ich mich auf einige wenige, ausgewählte Details aus der Zeit konzentriert und sie so präsentiert, dass sie nicht altbacken wirken.“ Ihre Arbeit stützte sie dabei auf zwei Pfeiler: ein gut ausgearbeitetes Grobkonzept vor Beginn – und vor allem ihr Bauchgefühl. „Es muss ein rundes Ganzes ergeben. Da vertraue ich auf meinen Instinkt.“
Sich voll und ganz auf Was vom Tage übrig blieb einzulassen war für Janna Klävers eine besondere Erfahrung, kannte sie den Roman noch aus dem Englischunterricht. Heute liest sie ihn natürlich anders als zu Schulzeiten. „Ich kann Stevens, sein Verhalten und seine Verklemmtheit samt reflektierten Gedanken heute besser verstehen als mit 16“, sagt sie im Rückblick. „Die Sprache des Buchs, die Art, wie er alles artikuliert, ist speziell, weil sehr gebremst, vorsichtig und ganz präzise. Das ist natürlich nichts, wo man als Teenager total in Euphorie gerät.“ Umso glücklicher ist sie, dass sie jetzt einen Grund hatte, das Buch noch mal mit erwachsenem Blick zu lesen. Den Film mit Anthony Hopkins und Emma Thompson sparte sie jedoch aus, um sich nicht zu sehr beeinflussen zu lassen. „Ich wollte nicht die beiden Schauspieler abbilden, was schwierig ist, da sie starke Charaktere sind. Aber mir war wichtig, meine eigene Bildsprache zu finden.“
Bei dieser Bildsprache hatte sie übrigens freie Hand. „Mich interessiert ihr Blick, ihre Auseinandersetzung“, sagt Cosima Schneider. „Die illustrierten Ausgaben der Büchergilde entstehen immer in freier künstlerischer Entscheidung, denn dadurch bekommen wir Bilder, die überraschen.“ Die IllustratorInnen sind sogar so frei, dass die Herstellung hinsichtlich des Formats auf sie reagiert und nichts vorgibt. „Bei einem breiten Portfolio schlage ich höchstens die Richtung vor“, sagt Schneider. „Letztlich liegt es aber an ihnen, wie sie die Illustrationen anlegen. Und anhand dessen, was kommt, ob es feine Miniaturzeichnungen oder großflächige Bilder sind, reagieren wir in der Ausstattung, entscheiden, welches Format wir nehmen.“
Bleibt noch eine Frage – immerhin entstanden Janna Klävers Illustrationen ausgerechnet in dem schicksalhaften Jahr 2020: Hatte die Pandemie Einfluss auf ihre Arbeit? Nein, sagt sie mit einem Lachen, sie habe diese losgekoppelt vom gesellschaftlichen Geschehen betrachtet. „Ich fand es aber sehr schön, eine Aufgabe zu haben, in die ich mich stürzen konnte, um mich von allem anderen ablenken zu können.“ Dann wird sie nachdenklich. „Es gab keinen wirklichen Einfluss, aber gewisse Parallelen sehe ich schon. Es war ein schöner Moment, sich mit dem Buch zu beschäftigen, weil es viele Fragen über das Leben stellt, was man macht, was am Ende übrig bleibt – Fragen, mit denen ich mich im vergangenen Jahr ebenfalls stärker auseinandergesetzt habe.“
Janna Klävers spricht über ihre Illustrationen für Was vom Tage übrig blieb