Werkstattgespräch mit dem Künstler Bernhard Jäger über Jorge Luis Borges' 30-bändige Bibliothek von Babel.

 

Herr Jäger, Sie arbeiten gerade an den Titelillustrationen für die 30-bändige Bibliothek von Babel. Wie geht es Ihnen damit?

Für mich schließt sich ein Kreis. Ich habe mich in den Sechzigerjahren als relativ junger Mann sehr stark für die phantastische Literatur begeistert. Einen Teil dieser Bücher, die Borges ausgewählt hat, kannte ich bereits. Borges Erzählung selbst natürlich, aber auch viele andere. Dass die Bibliothek jetzt wieder neu aufgelegt wird, finde ich sehr interessant.

 

Sie haben für Die Bibliothek von Babel eine eigene Bildsprache entwickelt.

Auf einen Schutzumschlag kann man nicht einfach eine Illustration setzen. Ein Schutzumschlag ist eine Art Poster und er soll werben, das heißt, das Bildmotiv muss vereinfacht werden, er muss die Stimmung des Bandes, des Autors darstellen. Bei manchen Texten ist sie sarkastisch-satirisch, bei manchen sehr unheimlich, bei anderen ist sie moralisch-belehrend. Die Texte sind sehr unterschiedlich und darauf muss man eingehen.

 

Die Bildsprache Ihrer freien Arbeiten ist doch sehr anders, als die Illustrationen zur Bibliothek von Babel.

Ja, vor sechs oder sieben Jahren hat sich meine freie Malerei sehr stark verändert, aber die Texte, die ich jetzt lese, kann man so nicht darstellen. Ich setze bei den Illustrationen zu Münchhausen an, die ich für die Büchergilde gemacht habe und führe das weiter, vor allem auch die Aquarelltechnik, die zu sehr leuchtenden Farben verhilft und in der ich mich ganz gut ausdrücken kann.

 

Wie sieht die Technik aus, die sie für diese Umschläge verwenden?

Es sind alles Aquarelle auf Papier. Ich lege sehr viele Schichten übereinander und dafür brauche ich sehr lange. Es ist völlig unökonomisch aber nur so kann ich zu Ergebnissen kommen, die ich auch bejahen kann. Ich würde nie etwas aus dem Atelier geben, was ich nicht 100%ig unterschreiben könnte.

 

 

Sie bearbeiten mehrere Motive und entscheiden sich erst im Arbeitsprozess dafür, an welchem Motiv Sie weiterarbeiten?

Ich lese erst die Texte, und zu verschiedenen Situationen fällt mir verschiedenes ein. Das mache mit ganz kurzen, stenogramm-artigen Skizzen, die nur für mich lesbar sind. Die sind auch völlig unerheblich und werden anschließend weggeworfen. Es sind Gedächtnisstützen und daraus wähle ich etwas aus, was ich für geeignet halte. Dann gehe ich daran und arbeite das Etwas genauer aus und wenn ich so ungefähr weiß, wie es aussehen soll, gehe ich an die aufgespannten Aquarellpapiere. Ich arbeite immer an zwei oder drei Aquarellen parallel. Es gibt ja zwischendurch immer Wartezeiten, die Aquarellfarbe muss trocknen, da kann ich dann an dem nächsten arbeiten. Irgendwann ist ein Stadium erreicht, wo von den zwei oder drei angefangenen Blättern eines so aussieht, als ob es wirklich gut würde. Dann stelle ich die anderen weg und arbeite nur noch an diesem einen weiter.

 

An welchem Buch arbeiten Sie gerade im Moment?

Ich arbeite gerade an Borges, 25. August 1983 und andere Erzählungen sowie an Argentinische Erzählungen. Bereits fertig ist Hawthorne, Das große Steingesicht. Ich habe nun die ersten sechs Bände der Bibliothek von Babel gelesen, aber ich arbeite sie ein zweites Mal durch, um zu sehen, wo ich ansetzen kann. Das ändert sich auch. Beim zweiten Lesen gibt es wieder einen neuen Aspekt. Es ist ein permanenter Prozess, alles ist in Bewegung.

 

Woher kommt die Faszination für die Phantastische Literatur?

Ich habe schon als Kind viel phantastische Literatur aus der Bibliothek meiner Eltern gelesen. Was mich sehr geprägt und begeistert hat, waren die Illustrationen von Doré. Das ist einer der großen Meister des 19. Jahrhunderts, der fast die gesamte Weltliteratur illustriert hat, Don Quixote und Dante, beispielsweise. Für mich waren das Bilderbücher. Auch andere phantastische Künstler des 19. Jahrhunderts haben mich als jungen Mann sehr beschäftigt, etwa Redon oder Grandville.

 

Können Sie die Atmosphäre der Bücher in Worten beschreiben?

Jedes dieser Bücher hat eine andere Atmosphäre. Zum Beispiel Saki hat eine morbid-ironisch-sarkastische Art zu erzählen. Das ist etwas, was mir liegt. Da muss man auch lachen. Bei Borges ist es eine hoch-intellektuelle Sache. Borges ist schwer zu illustrieren. Man kann nicht an einer bestimmten Stelle ansetzen, sondern man muss sich eine Erzählung herausnehmen, ein Schlagwort oder ein Kürzel und darüber arbeiten. Der Schlaf und der Traum spielen eine große Rolle. Es sind Geschichten, von denen man nicht weiß, sind sie Traum oder Realität. Das realistisch darzustellen ist unmöglich. Sie können nur in die Stimmung eintauchen. Von allem was ich bisher gelesen habe ist Borges der Intellektuellste, der auch mit dem Genre spielt. Das ist schon toll, das ist große Literatur. Ich habe ihn jetzt 20 Jahre nicht mehr gelesen und bin erstaunt, wie phantastisch das ist. Dann gibt es Autoren wie Hawthorne, Das große Steingesicht, der ist auf eine seltsame Art moralisch-belehrend. Das was erzählt wird, wird immer mit erhobenem Zeigefinger, es ist witzig zu lesen, wie man in jener Zeit etwas vermittelt hat. Alles was ich bisher gelesen habe ist Weltliteratur im Kleinen – es sind ja überwiegend kurze Erzählungen.

 

Jetzt entwerfen sie Umschlagillustrationen für 30 Bände. Das ist doch sicher eine schöne Aufgabe?

Erstmal hat’s mich erschreckt, weil es eine gewaltige Aufgabe ist. Vor allen Dingen hat es mich auch deshalb beunruhigt, denn ich muss alles woran ich gerade arbeite, beiseite legen und einen völlig neuen Ansatz finden. Das ist auch Arbeit. Ich bin ja Maler, und wenn ich daran gehe, weiß ich, dass das sehr viel Arbeit ist und außerdem stehe ich unter Zeitdruck. Die ersten 12 Entwürfe müssen fertig werden dieses Jahr noch und ich arbeite sehr lange dran. Ich habe für den ersten Umschlag über eine Woche gebraucht, auch um mich erstmal rein zu finden.

 

Die Fragen stellte Jürgen Sander.