Eberhard Seidel, geboren 1955 in Sommerhausen, studierte Soziologie und lebt in Berlin. Er hat viele Jahre als freier Journalist gearbeitet, war dann Meinungsredakteur und Leiter des Inlandsressorts der taz. Seit 2002 ist er Geschäftsführer der Initiative „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“. Er ist Autor von Büchern über Migration, Islamismus, Rechtsextremismus und jugendliche Subkulturen.
Eine türkisch-deutsche Kulturgeschichte
Eberhard Seidel
Fester Einband mit offengelegter Kreppbandverklebung, beidseitig vierfarbig bedruckter Schutzumschlag, angeklebtes Vorsatzpapier, 248 Seiten, Umschlaggestaltung von Cosima Schneider mit einer Illustration von Anton Ohlow
NR 174030 | € 22.00
Eberhard Seidel erzählt die über 60-jährige Geschichte türkischen Lebens in Deutschland neu: Da geht es um die Pioniere der türkischen Gastronomie, um Döner-Grillgeräte in Ford Transits und auch um Ressentiments und rechten Terror als traurigen Teil der Kebap-Historie in Deutschland. Nachdenkliche Töne und originelle Anekdoten versammeln sich hier zu einem bunten Panorama von Deutschlands beliebtestem Fast Food, dem Döner Kebap. Seidel trifft Dönerproduzenten, Bäcker, Imbissbesitzer und macht deutlich, wie die Eingewanderten und ihre Nachkommen nicht nur Essgewohnheiten, sondern das Land bereichert haben. Ebenfalls enthalten: das ABC des Döner Kebaps sowie
authentische Rezepte.
Zwei, drei Dinge meiner nonna und ein lasagne-Rezept
Francesca Petrarca
Mit zahlreichen Abbildungen und Beiträgen der Historikerin Flavia Grossmann zur Schweizer Migrationspolitik, Einband- und Inhaltspapier aus recyceltem CoffeeCup Paper, 88 Seiten, Buchgestaltung von Francesca Petrarca
NR 173824 | € 22.00
Von Schweizer Migrationspolitik, der Liebe zum Kochen und la nonna! Gleich der Lasagne, die ihre Großmutter Maria Perpetua in den Rimini-Urlauben so gern zubereitete, skizziert Francesca Petrarca Schicht für Schicht liebevolle Erinnerungen an ihre Oma. Es duftet nach Espresso, italienischer Küche, Sommerhitze und Haarlack. Als junge Frau wanderte Petrarcas Großmutter in den 1950er-Jahren allein aus Italien in die Schweiz ein. Ihre Enkelin zeichnet ein literarisches Porträt von ihr, das den oft männlich geprägten Geschichten der Einwanderer mit weiblichen Perspektiven begegnet. Die vermachten Gegenstände ihrer nonna inspirierten Petrarca zur außergewöhnlichen Gestaltung dieses poppigen und lebensfrohen Buches.
Literatur-Nobelpreisträger 2006
Orhan Pamuk
Aus dem Türkischen von Gerhard Meier, geprägtes Leinen mit eingelassenem Bild, farbiges Vorsatzpapier, Lesebändchen, 696 Seiten, Einbandgestaltung von Cosima Schneider unter Verwendung eines Gemäldes von Ahmet Isıkçı.
NR 174022 | € 34.00
Kann eine alles erschütternde Katastrophe die Menschen einen? Als im Jahre 1901 auf Minger die Pest ausbricht, beschuldigen sich Muslime und Christen gegenseitig. Ob nun die Pilger aus Mekka den Erreger eingeschleppt haben oder die Händler aus Alexandrien: Auf der Insel bricht Chaos aus. Als Sultan Abdülhamit II. sowie England und Frankreich die Insel mit Schiffen blockieren lassen, um die weitere Ausbreitung zu verhindern, sind die Menschen auf Minger auf sich allein gestellt.
Pamuk verbindet raffiniert Fantasie und Wirklichkeit, Vergangenheit und Gegenwart, Ost und West. Ein einzigartiger Abgesang auf das von Nationalismus und Aberglaube gefährdete Osmanische Reich.
Entdecken Sie mit der Büchergilde die vielfältige deutsche Verlagslandschaft: Den MÄRZ Verlag aus Berlin gibt es bereits seit 53 Jahren. Für eine neue Ästhetik und eine neue politische Bewegung in der alten Bundesrepublik war MÄRZ mit seinem vielschichtigen Programm viele Jahre unersetzlich. Im Jahr 2020 starb der Verlagsgründer Jörg Schröder. Seit Februar 2022 geht es nun in neuer Konstellation weiter. Als Teil dieses Neuanfangs werden Verlags-Klassiker neu aufgelegt und das Programm gegenwärtiger Bücher ergänzt. Der MÄRZ Verlag ist ein Ort, an dem literarische und künstlerische Freiräume geschaffen werden und Klassiker und Novitäten gleichbedeutend nebeneinanderstehen. Vermeintlich Altes und Neues sollen in ein Gespräch miteinander treten, aufeinander verweisen, korrespondieren. Und mit dem Sachbuch Döner. Eine türkisch-deutsche Kulturgeschichte von Eberhard Seidel konnte bereits ein Bestseller gelandet werden!
Dieses Buch können Sie nun in einer ganz besonderen Ausgabe bei uns erwerben. Der flexible Einband mit offengelegter Kreppbandverklebung und der beidseitig vierfarbig bedruckte Schutzumschlag, illustriert von Anton Ohlow, machen die Büchergilde Ausgabe des Bestsellers zu einem wahren Lesevergnügen.
Hendrik Otremba
Ausgabe März Verlag. Fester Einband, 512 Seiten
NR 701033 | € 28.00
Essays gegen den Krieg
Howard Zinn
Ausgabe März Verlag. Fester Einband, 106 Seiten
NR 701025 | € 20.00
Jacques Vingtras 1
Jules Vallès
Ausgabe März Verlag. Fester Einband, 352 Seiten
NR 701017 | € 24.00
Der Journalist und Soziologe Eberhard Seidel untersucht in Döner. Eine türkisch-deutsche Kulturgeschichte, wie eng das beliebte Imbissgericht mit der Migrationsgeschichte in der Bundesrepublik verknüpft ist. Im Interview mit der Büchergilde spricht er über Einwanderung, Food-Hypes und Xenophobie.
Die Fragen stellte Isabella Caldart.
Zu Beginn Ihres Buches sagen Sie: „Döner ist Punk“. Was ist Punk am Döner?
In seinem Ursprung hatte
der Döner etwas Rotziges, weil er von einer Gruppe nach Deutschland gebracht
wurde, die sich trotz rassistischer Gesetzgebungen selbstbewusst und unbeirrt
durchgesetzt hat. Ähnlich wie der Punk wurde der Döner von
gesellschaftlich am Rande stehenden Menschen in die Mitte der Gesellschaft gehoben
und ist jetzt sogar im Hotel Adlon in der sogenannten Hochkultur angekommen,
sprich in den finanzstarken Kreisen – und dabei immer auch Straßenessen
geblieben.
"Die Mehrheitsgesellschaft hat die Eingewanderten für soziale Verwerfungen und gesellschaftliche Probleme verantwortlich gemacht. Ich finde spannend, wie diese Gruppe darauf reagiert hat. Der Döner war auch eine Widerstandsaktion. Diese große Erzählung von Rassismus- und Emanzipationsgeschichte muss man beschreiben."
Eberhard Seidel im Interview über sein Interesse am Döner
Sie beschäftigen sich seit den 1980er-Jahren mit dem Döner. Wie kam es dazu?
Als ich 1977 nach Berlin
zog, war die Ernährungslage in der Stadt furchtbar. Der erste Döner, den ich
gegessen habe, hat mir gut geschmeckt. Vor allem aber hat er mich als
gesellschaftliches und kulturpolitisches Phänomen interessiert, weil ich mich
viel mit Migration, besonders der aus der Türkei, beschäftigt habe.
Wenn man sich die
deutsche Geschichte anschaut, war die Gesellschaft immer pluralistisch, bis sie
im Nationalsozialismus zwangsweise homogenisiert wurde. Als die Einwanderer aus
der Türkei in die deutsche Nachkriegsgesellschaft kamen, prägte sich dann ein
antitürkisches Ressentiment
aus. Mich haben die faschistischen und rassistischen Kontinuitäten
interessiert: In den 1970ern und vor allem 1980ern waren völkische Ideologien
bis ins Bürgertum ein Phänomen der Gesellschaft, wie etwa das „Heidelberger
Manifest“ beweist. Die Mehrheitsgesellschaft hat die Eingewanderten für soziale
Verwerfungen und gesellschaftliche Probleme verantwortlich gemacht. Ich finde
spannend, wie diese Gruppe darauf reagiert hat. Der Döner war auch eine
Widerstandsaktion. Diese große Erzählung von Rassismus- und
Emanzipationsgeschichte muss man beschreiben.
Ob Istanbul, Berlin, Frankfurt oder vielleicht auch Reutlingen – um die Erfindung des Döner Kebaps als Street Food ranken sich viele Mythen und Legenden. Warum ist das kulturell so aufgeladen?
Die Event-Gesellschaft
möchte immer wissen, wer der Erste oder Beste ist. Aber so funktioniert
Geschichte nicht. Der Döner ist ein Produkt des Osmanischen Reichs, zu dem
nicht nur Türken, sondern auch Griechen und Menschen aus dem arabischen
Raum gehörten. In den Küchen gab es einen transkulturellen Austausch, und mit
dem Döner war das ebenfalls so. Deswegen habe ich das Kapitel über mit
Dampfkraft betriebene Dönerspieße im Damaskus des 16. Jahrhunderts verfasst.
Und auch der „Erfinder“ des Iskender Kepab hat ihn 1867 natürlich nicht
erfunden, sondern
nur
popularisiert.
Wie sehr ist der Döner Teil der deutschen Identität?
In den fünfzig Jahren,
seit es den Döner in Deutschland gibt, hat sich eine ganze Menge geändert. Die
hier geborene und aufgewachsene Generation hat die Position, sich stärker in
die Gesellschaft einzumischen, und viele Kartoffeldeutsche sind familiär oder
am Arbeitsplatz verbunden mit der Türkei. Das ist eine positive
Entwicklung. Wenn Elon Musk den Döner als sein Lieblingsessen aus Deutschland
bezeichnet, kommt das von jemandem, der von außen auf die Gesellschaft
blickt. Was als „typisch deutsch“
gilt, hat sich von Grund auf verändert – und der Döner ist jetzt typisch deutsch.
Haben Sie es als Herausforderung empfunden, die „türkisch-deutsche Kulturgeschichte“, wie der Untertitel von Döner lautet, aus Ihrer Perspektive als Deutscher ohne türkische Wurzeln zu schildern?
Man muss sich natürlich
klarmachen, aus welcher Sprecherposition man schreibt: Ich bin aufgewachsen in
einem deutsch-völkischen Umfeld der unterfränkischen Provinz und habe mich
damit auseinandergesetzt. Und mit der Türkei habe ich mich intensiv
beschäftigt, seit ich 1969 im Alter von 13 zum ersten Mal in das Land gefahren
bin. Mich hat das alles beeindruckt; es war auch der Zünder, um die Provinz
hinter mir zu lassen.
Heute bin ich mit meinem
Projekt „Schule ohne Rassismus“ mehr aktivistisch unterwegs, aber früher, als
ich als Journalist gearbeitet habe, gab es aus der Community selbst nicht viele
Menschen, die geschrieben haben. Ich habe meine Position als die eines
Übersetzers verstanden, um einem anderen Milieu eine bestimmte Situation zu
zeigen.
1996 haben Sie mit Aufgespießt Ihr erstes Buch über den Döner Kebap veröffentlicht. Warum jetzt dieses neue Buch?
Seitdem ist viel
passiert. Als ich das Buch geschrieben habe, waren Mölln und Solingen drei, vier
Jahre her, und ich war optimistisch, dass sich das Land weiterentwickeln würde, kurz
darauf hat sich auch das Staatsangehörigkeitsrecht
geändert.
Doch mit dem 11.
September und der Ermordung von Theo van Gogh hat sich eine sehr xenophobe
Stimmung ausgebreitet. Aus Türken wurden im Diskurs plötzlich „Muslime“. Und dann
war die Rede von „Döner-Morden“, der Mordserie durch den NSU, wodurch eine
Täter-Opfer-Umkehr
geschah,
weil Behörden rechtsextremistische Gewalt nicht erkannten. Der Gammelfleisch-Skandal
wurde als „Döner-Mafia“ bezeichnet, dabei waren die Verursacher Urdeutsche aus
München und Gelsenkirchen. Das sind wichtige Punkte, die ich aus der Jetztzeit
reflektieren wollte.
"Was als 'typisch deutsch' gilt, hat sich von Grund auf verändert – und der Döner ist jetzt typisch deutsch."
Seidel im Interview über die deutsche Identität
Sie schätzen, dass es seit der Wiedervereinigung rund 1000 Angriffe auf Dönerimbisse in Ostdeutschland gab. Wie kommen Sie auf diese Zahl?
Dönerimbisse sind das
sichtbare Zeichen einer Gruppe, die für sich reklamiert, Teil der Gesellschaft
zu sein und auch Geschäfte zu machen, was jeder Vorstellung von Neonazis
widerspricht. Auf die Zahl 1000 komme ich aufgrund einer Untersuchung in Brandenburg
über einen Zeitraum von
vier, fünf Jahren und weil ich ein Paar, das in Hoyerswerda eine Dönerbude
eröffnet hat, über einen langen Zeitraum begleitet habe, außerdem habe ich
Berichte von Lokalzeitungen ausgewertet. Die Dimension hat auch mich schockiert.
Wieso bekommen diese rassistischen Taten überregional so wenig Aufmerksamkeit?
Das hängt mit der
Rassismusgeschichte und der Wahrnehmung von Rassismus in Deutschland
zusammen. Es gab in Westdeutschland in den 1980ern rassistische Anschläge wie in
Duisburg [1984 kamen bei einem Brandanschlag sieben Menschen ums Leben, Anm.
d. Red.], die von der Gesellschaft
nur am Rande wahrgenommen wurden. Und nach der Öffnung der Mauer erfolgte eine
„völkische Offensive“ mit vielen Übergriffen und einer Alltäglichkeit von
rassistischer Gewalt. Das hat mit rechtem Fühlen und Denken zu tun. Die
Mehrheitsgesellschaft vergewissert sich ihrer eigenen „Fortschrittlichkeit“ anhand
anderer, „fremder“ Gruppen selbst. Gerade bei antitürkischer Gewalt besteht
eine gesellschaftliche Unsensibilität.
Zuletzt noch die
Geschmacksfrage: Mit Soße oder ohne – wie essen Sie Ihren Döner?
Mit scharfer Soße!