Von Christiana Walde
Seit 31 Jahren führt Dr. Peter Schenk die Buchhandlung Büchergilde Buch und Kultur der Weststadt in Heidelberg. Der ehemalige Mitgesellschafter der Büchergilde hat einen wichtigen Teil ihrer Geschichte mitgeschrieben und seine Buchhandlung zu einem Ort lebendiger Buchkultur gemacht.
Schon beim ersten Schritt in die Buchhandlung Büchergilde Buch und Kultur fällt er auf: der Kaffeetisch. Die schwere, kühle Marmorplatte ist Treffpunkt, Stammtisch, Ruhepol und Planungszimmer in einem. Für den Buchhändler Peter Schenk hat dieser Tisch Symbolcharakter: „Mir macht es Spaß, Leuten zu zeigen, was unsere Literaturgemeinschaft ausmacht. Viele Ideen für Veranstaltungen sind hier am Kaffeetisch entstanden. Da kommt jemand, erzählt etwas Interessantes und dann machen wir was draus.“ So wie 1985, Schenk hatte gerade eröffnet, als der damals noch unbekannte Rafik Schami hereinkam und ihm zwei Erzählabende anbot. „So kam es zu meiner allerersten Veranstaltung. Ein paar Jahre später brach mir der Laden fast auseinander, wenn Schami da war.“
Längst ist Schenks Buchhandlung in Heidelberg eine
kulturelle Institution und Teil der literarischen Stadtgeschichte. Regelmäßig
finden hier Lesungen und Lesekreise, Ausstellungen und Konzerte statt. Schenk
ist gelernter Schriftsetzer und gebürtiger Speyrer. Nach seiner Ausbildung ging
er nach Heidelberg, studierte Soziologie, promovierte und arbeitete zehn Jahre
in der Forschung. Dann kam der Anruf vom Deutschen Gewerkschaftsbund: Ob er
sich vorstellen könne, die Büchergilde in Heidelberg zu übernehmen? Die erste
Reaktion: „Den Scheiß-Laden übernehm ich net'!“ Doch in den 14 Tagen Bedenkzeit
reifte in ihm ein Plan. „Ich hab mir gesagt, das muss ein Treffpunkt werden,
ein kultureller Treffpunkt, wo im Grunde alles möglich ist. Es ging mir mit der
Büchergilde nicht nur darum, Bücher zu verkaufen, ich wollte auch die Kultur in
diesem Stadtteil befruchten. Als der damalige Büchergilde-Prokurist das im
Börsenblatt las, bekam ich prompt einen bitterbösen Brief, sie hätten mit
Entsetzen zur Kenntnis genommen, mir würde es gar nicht um den Verkauf von Büchern
gehen.“
Nicht von Anfang an konnte man der Büchergilde in Buchhandlungen begegnen. Bis
in die 1970er Jahre hinein waren es vor allem die Vertrauensleute, über die man
mit der Buchgemeinschaft in Kontakt kam. Frauen und Männer, die in den
Betrieben die Mitglieder mit Büchern versorgten, neue Mitglieder gewannen und
sogar literarische Wettbewerbe und Lesekreise veranstalteten. Den Bezug zur Arbeiterbewegung
und den gewerkschaftlichen Traditionen hielt Peter Schenk aufrecht. Auf 100
Gewerkschaftsveranstaltungen war er in den ersten beiden Jahren mit
Büchertischen vertreten.
Doch sein Hauptaugenmerk lag auf dem Laden, hier setzte
er seine ganz eigenen Vorstellungen um. Er sortierte die Bücher in seiner
Buchhandlung nicht mehr wie vorher nach Nummern – Buchrücken an Buchrücken –
sondern präsentierte sie frontal, so dass sie dem Betrachter ihr Gesicht
zeigen. Und er lud auch die Gewerkschafter in seine Buchhandlung ein. „Für mich
war das ein unglaublicher Lernprozess. Und es hat sich gezeigt, dass es noch viel
lebendiger ist, als ich es mir ausgedacht hatte.“
Schenk konnte den
Heidelberger Büchergilde-Laden sanieren und gewann viele neue Mitglieder für
die Buchgemeinschaft. In Frankfurt glaubte man ihm seinen Erfolg zunächst
nicht, doch der frische Wind aus Heidelberg war auch am Main spürbar. Der
damalige Lektoratsleiter Edgar Päßler wollte ihn sogar in einem Bus von Ort zu
Ort schicken, weil er überzeugt war, Schenk könne die Büchergilde aufmischen.
Doch Schenk wollte nicht zum reisenden Literaturvermittler werden: „Meine
Stärke ist eben auch dieses Verwurzelt-Sein in Heidelberg, meine Vernetzung vor
Ort.“ Er willigte jedoch ein, sich ein paar Büchergilde-Läden mit seinen
Erfahrungen genauer anzuschauen. 1990 wurde er Regionalleiter und war zuständig
für die Kommunikation und das Zusammenhalten von 38 Buchhandlungen.
Acht Jahre
später, als die Gewerkschaft die Büchergilde veräußern wollte, gehörte er zu den
Mitarbeitern, die das Unternehmen durch einen Management-Buy-Out übernahmen und
damit den Fortbestand der Büchergilde sicherten. Die Gründung der Genossenschaft
2015 war ein weiterer Schritt, um die Zukunft der Büchergilde zu ermöglichen.
„Im Grunde hätte uns das schon früher einfallen können. Die Büchergilde lebt
von ihren Mitgliedern – und die Mitglieder finden die Genossenschaft toll.“
Zentrum seines Schaffens blieb bei allem Engagement für die
gesamte Buchgemeinschaft immer Heidelberg. So initiierte Peter Schenk 1994 die
Heidelberger Literaturtage mit, im Rahmen derer er auch heute noch Veranstaltungen
moderiert. Zudem gewann er ver.di als Förderer. Das Literaturfest ist für viele
eng mit der Büchergilde verbunden. Schenk ist überzeugt davon, dass „derjenige,
der die Büchergilde vor Ort vertritt, mehr sein sollte als nur ein Buchhändler.
Er sollte sehr wach auf die Kultur in seiner Stadt reagieren und daraus dann
eigene Projekte machen – so wie es Ulrich Dombrowsky in Regensburg macht.“ Ein spannender
und nicht vorzuprogrammierender Prozess sei das, in den man sich beständig begebe.
Es sind auch die persönlichen Beziehungen, die Schenk pflegt und die seine
Buchhandlung zu einem Ort der Begegnung machen. Viele kommen regelmäßig,
manche, um sich auf den neuesten Stand zu bringen, andere zur Pflege der
Streitkultur, viele wegen Peter Schenk und seinem Humor. „Kultur, das muss Spaß
machen, man muss Witze machen und mit den Leuten scherzen können. Und die
Büchergilde hat mich dazu erzogen, viele Geschichten zu erzählen.“
In einer Anekdote, die ihm besondere Freude macht, geht es um den berühmten Büchergilde-Illustrator Mehrdad Zaeri: „Da hält eines Tages ein Taxi direkt vor dem Laden und ein kompakt gebauter Typ mit langen Haaren steigt aus. Er kommt rein, sagt, ‚Die sind ja alle da!’ und rennt wieder raus. So ein Volldepp, hab ich da gedacht. Drei Tage später steht er wieder in der Buchhandlung und ich bot ihm einen Kaffee an. Er ist zu jedem Buch hingegangen, hat es bedächtig in die Hand genommen, bewundernde Geräusche von sich gegeben und dabei tief durchgeatmet. Da hab ich wieder gedacht, der spinnt doch.“ Der seltsame Besucher, so stellte sich heraus, war Mehrdad Zaeri, der auf der Frankfurter Buchmesse den Stand der Büchergilde gesehen hatte und sofort Mitglied geworden war. Da ging er aber noch davon aus, dass es die Büchergilde nur in Frankfurt gäbe. Wenig später stellte Zaeri seine eigenen grafischen Arbeiten in der Buchhandlung aus, was bald in eine Zusammenarbeit für das Büchergilde-Programm mündete – der Beginn einer gemeinsamen Erfolgsgeschichte.
Bei einigen Mitgliedern weiß Schenk noch genau, welche Bücher sie gekauft haben, als sie der Buchgemeinschaft beigetreten sind – auch wenn es bereits 25 Jahre zurück liegt. Er kennt seine Kunden und seine Buchhandlung gut. „Es gibt aber auch Tage, an denen ich mir abends sage: Dieser Scheiß-Laden! Und am nächsten Tag freue ich mich trotzdem wieder da zu sein“, erzählt der 73-Jährige lächelnd. Peter Schenk findet in der Büchergilde und in Heidelberg immer wieder etwas, das ihn begeistert: „Es gibt meiner Ansicht nach noch vieles zu entdecken. Allein die vielen Künstler, die man für das Programm der Buchgemeinschaft gewinnen könnte.“ Sein Ausgleich zu den Sechs-Tage-Wochen im Laden ist die Musik, für die der Sonntag reserviert ist. Einen Nachfolger für seine Buchhandlung hat Peter Schenk derweil noch nicht, er sieht der Übergabe jedoch mit Gelassenheit entgegen: „Der - oder diejenige wird einen ganz eigenen Weg finden, die Buchhandlung zu führen und die Büchergilde zu vertreten.“ Bis dahin wird Peter Schenk weiter jeden Morgen seinen Laden aufschließen und Menschen und schöne Bücher zusammenbringen.